Die Cloud, die noch funktioniert, wenn nichts mehr geht
Matthias Wolf ist Mitglied im Program Owner Team und Technical Architect
Matthias, auf welchen Werten basiert die Zusammenarbeit im Team?
Bei der Konzeptionierung unseres Programms 2023 sind wir uns schnell einig geworden, dass Dinge in der Vergangenheit vor allem deshalb erfolgreich waren, weil die Kolleginnen und Kollegen über ihre klassischen Unternehmensrollen hinaus Verantwortung übernommen haben. Die Voraussetzung dafür war meiner Meinung nach, dass sie sich wohl gefühlt haben und Spaß an der Arbeit hatten. Jeder durfte alles ansprechen und wir haben versucht, genau diese Sachen in einer Art MSHIP-Kultur niederzuschreiben.
Wir sind dabei auf zwölf Werte gekommen und wenn ich nach meinen zwölf Jahren TransnetBW-Zugehörigkeit eine Fahne malen müsste, mit der ich ins MSHIP-Programm eingezogen bin, dann wäre dort „Wissen teilen“ als Wert drauf. Das ist der zentralste Werte für mich, weil er alles, was uns im Moment auszeichnet, zusammenfasst. Durch das Teilen von Wissen sind wir im MSHIP Team in der Lage, über den Tellerrand hinauszuschauen und uns mit den Problemen und Herausforderungen der anderen zu beschäftigen. So versteht man besser, welchen Herausforderungen sich jeder einzelne im Team stellt und unter welchen teils schwierigen Voraussetzungen dort über ein Vorankommen nachgedacht werden muss. Das ist für mich nach wie vor eines der wichtigsten kulturellen Merkmale im MSHIP Programm.
Was ist in deinen Augen das Besondere an MSHIP - und was ist die größte Herausforderung im MSHIP Programm?
Das Besondere ist, dass ein Übertragungsnetzbetreiber als Nicht-IT-Unternehmen sich so tief in die Digitalisierung hinein wagt und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, wie man es eigentlich sonst nur von Soft- und Hardwareunternehmen kennt.
Herausfordernd ist aktuell die Geschwindigkeit – und dass wir uns trotzdem die Day-One-Culture, dieses pragmatische, zielorientierte Vorangehen, bewahren und uns nicht diesem süßen Gift des unverhältnismäßigen Verwaltens, Strukturierens, Prozessualisierens hingeben. Das ist eine Gratwanderung. Auf der einen Seite pragmatische Lösungen, Hands-On, direkt implementieren, nicht zu lange spezifizieren, ausprobieren und dann mit den gesammelten Erfahrungen die zu dem Zeitpunkt optimale Entscheidung treffen.
Demgegenüber stehen die ganzen Anforderungen unseres Umfelds – regulierte Prozesse oder eine Bundesnetzagentur, die jederzeit mit neuen Vorgaben und höchster Dringlichkeit in der Tür stehen kann. Außerdem haben wir natürlich als KRITIS-Unternehmen ebenfalls hohe Ansprüche an uns. Denn es liegt in unserer Verantwortung, die Versorgung von 11 Millionen Menschen sicherzustellen und das nicht jeden Tag zufällig, sondern sehr gut geplant, nachhaltig und sicher. Diesen Drahtseilakt erfolgreich zu bewältigen, jeden Tag aufs Neue, ist sowohl Herausforderung als auch Anspruch des MSHIP Programms.
Was ist neu oder anders bei der MSHIP-Plattform als bei anderen Plattformen?
Eine Cloud für ein Unternehmen wie TransnetBW ist nur so gut, wie sie ohne Internet funktionieren kann. Das ist gleichzeitig Anspruch und Herausforderung: Alle Dinge, die in irgendeiner Art und Weise auf MSHIP ineinander greifen, müssen in den Rechenzentren von TransnetBW vorhanden sein. MSHIP stellt uns Services, Lösungen und IT-Technologien zur Verfügung, die uns im schlimmsten aller Fälle dazu dienen, das Netz wiederherzustellen, wenn nichts mehr in Baden-Württemberg funktioniert. Deswegen reden wir bei MSHIP auch von der Cloud, die noch funktioniert, wenn sonst nichts mehr geht.
Wir müssen künftig darauf vorbereitet sein, mehrere Änderungen pro Tag an einer produktiven Umgebung bewerkstelligen zu können. Das ist das Ziel, das wir erreichen wollen. Dazu brauchen wir Betriebsprozesse, die standardisiert sind, die es erlauben, solche Änderungen an vielen verschiedenen Services und Plattformen auf eine standardisierte Art und Weise mit einer hohen Zuverlässigkeit durchzuführen. Außerdem müssen die alle von demselben Operations-Team gemanagt werden können.
WAS BEDEUTET DAS FÜR DEN AUFBAU DER MSHIP PLATTFORM?
Wir müssen einen sehr großen Teil der Komplexität aus den zukünftigen Anwendungen auf die Plattform ziehen, um die fachlichen Services leichtgewichtiger zu machen. Dadurch werden die Änderungen an den Applikationen deutlich fokussierter, weniger mächtig, weniger fehleranfällig. Dafür brauchen wir ein sehr gut ausgebildetes, Plattform-Entwicklungs und -Betriebsteam. Damit dieses Team einen so großen Hebel ansetzen kann, brauchen wir nicht nur Cloud-native Standards, sondern auch einen hohen Grad an Automatisierung auf nahezu allen Ebenen unserer Plattformen.
Die Fachkollegen und -kolleginnen erarbeiten gemeinsam mit dem Plattform-Entwicklungs und -Betriebsteam die optimale Lösung. Ausgehend von ihren Entscheidungen wird geprüft, was aus dem vorhanden Plattform-Portfolio verwendet werden kann. Auch hier wollen wir uns unabhängiger machen von einzelnen Herstellern, indem wir die Architekturen, die sich bei den großen Hyperscalern etabliert haben, nutzen. Die schaffen es auch, mit relativ kleinen Betriebsteams riesige Umgebungen zu managen. Solche Lösungen gewährleisten einen hohen Grad an Sicherheit, den diese Prozesse hinsichtlich Resilienz und Schutz auch benötigen.
Die Cloud-native Plattformen integrieren Mechanismen, die – ebenfalls angelehnt an die großen Hyperscaler – in der Lage sind, den Workload auf unterschiedliche Availibility-Zones in Data-Centern near realtime zu verteilen. Ein Ausfall einer Availability-Zone wird gar nicht mehr von dem einzelnen Ingenieur bemerkt, sondern der Betrieb geht nahtlos weiter.
Was inspiriert dich?
Mich inspiriert sehr, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die jeden Tag mit dem Anspruch zur Arbeit kommen, die optimale Lösung zu finden. Und die nicht frustriert sind, wenn es tags darauf noch einen besseren Ansatz gibt. Sondern es zulassen, vor diesem Hintergrund sich selbst zu hinterfragen und so ständig bessere Ergebnisse erzielen. Gemeinsam belohnen wir uns am Ende einer erfolgreichen Woche mit einem kühlen Bier, dem Blick auf die 380-KV-Schaltanlage und schmieden neue Pläne für die kommenden Tage!